Seit zwei Wochen ist Dr. Thomas Steller Direktor des Potsdam Museums. Nach der Begrüßung durch den Oberbürgermeister Mike Schubert bildete eine erste große Kennenlernrunde im Team den Auftakt seines Arbeitsbeginns. Inzwischen gab es Gelegenheit, mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Kurzer Überblick seiner Berufsbiografie
Thomas Steller (*1982 in Dresden) studierte Kulturwissenschaften und Europäische Kulturgeschichte in Frankfurt/Oder und Rom. Zu Forschungsprojekten hielt er sich in Dresden, Bielefeld und Baltimore, USA, auf und schloss 2014 seine Doktorarbeit zum Thema „Die Entstehung und Entwicklung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden von 1911-1930“ ab.
Thomas Steller war in verschiedenen kulturhistorischen Museen mit Schwerpunkt 19. und 20. Jahrhundert tätig. Von Januar 2015 bis Oktober 2016 war er Volontär und Assistent des Direktors auf der Domäne Dahlem – Museum für Konsum und Ernährungsgeschichte in Berlin. Von 2016 bis 2021 leitete er den Bereich Museum und Bildung auf Schloss & Gut Liebenberg im Löwenberger Land in Brandenburg im Auftrag der DKB STIFTUNG für gesellschaftliches Engagement. Seit 2022 bis September 2023 war Thomas Steller Direktor des Stadtmuseums in Dresden und der vier zugehörigen Hausmuseen.
Unsere Fragen an Thomas Steller:
Was bewog Sie, nach Ihrem Doktorabschluss an ein Museum zu gehen, anstatt einer akademischen Laufbahn zu folgen?
Es war von Anfang an mein Wunsch, im nicht-akademischen Bereich zu arbeiten. Dort war mir der Wirkungskreis zu klein. Ich wollte mit schönen alten Dingen zu tun haben und deren Geschichten anderen Menschen nahebringen, so dass sie selbst davon inspiriert werden würden. Zudem hat mir das „Denken im Raum“, denn das ist für mich das Ausstellen in Museen, immer Spaß gemacht.
An welchen Ausstellungen waren Sie federführend beteiligt?
Ich habe bereits eine Reihe von Bildungsprojekten und Ausstellungen analog und digital kuratiert. Für die DKB STIFTUNG waren das Ausstellungen über den Schriftsteller Theodor Fontane, das Olympische Dorf von 1936 in Elstal und über die Transformationszeit im Osten Deutschlands im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. In Dresden verwirklichte ich mit meinem Team eine Sonderausstellung über den Architekten Heinrich Tessenow.
Welche Themen haben Sie während Ihrer bisherigen Tätigkeiten am meisten interessiert?
Während meiner Museumsarbeit und in meinen Forschungsprojekten beschäftigte ich mich mit Wissens- und Museumsgeschichte im Allgemeinen. Spezifische Themen waren des Weiteren Alltags-, Konsum- und Ernährungsgeschichte im 20. Jahrhundert, Nationalsozialismus und DDR-Geschichte. Während meiner schon gut 10-jährigen Museumsarbeit lag ein wichtiger Fokus auf stadt- und regionalhistorischen Fragen, insbesondere des 19. und 20. Jahrhunderts.
Außerdem verfolgte ich mit großem Interesse die Herausforderungen an eine moderne Museumsarbeit wie Nachhaltigkeit, Teilhabe und Digitalisierung und arbeitete intensiv an der darauf hinwirkenden strategischen Organisationsentwicklung.
Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit in der Museumsarbeit?
Die Transformation zu Nachhaltigkeit ist Auftrag, Voraussetzung und Chance für unsere weitere Arbeit. Museen können als Institutionen mit einem hohen Vertrauensvorschuss in der Gesellschaft einen wichtigen Beitrag beim Wandel zu einem nachhaltigerem Leben leisten. Wir können selber nachhaltig arbeiten und damit vorbildlich sein, in dem wir zum Beispiel Inklusion und damit Teilhabe voranbringen oder unsere Energieverbräuche optimieren oder Ausstellungbestandteile wiederverwenden. Und wir können über Themen, die mit der Veränderung unseres Lebens zu tun haben, informieren und gesellschaftlichen Initiativen, die zukunftsfähiges Leben befördern wollen, eine Bühne geben. Nicht zuletzt trägt das Potsdam Museum die Nachhaltigkeitsidee als Gründungsgedanken schon immer in sich, da wir ja Altes bewahren und aus ihm lernen wollen.
Warum Digitalisierung im Museum? Geht es nicht vor allem um das Ausstellen von „echten“ Objekten?
Es geht natürlich um viel mehr als „nur“ um die digitale Bereitstellung von Objekten. Was im Übrigen, so zeigen Studien, die Menschen nicht vom Museumsbesuch abhält, sondern eher neugierig macht und zu neuen Formen der Interaktion anregt. Digitalität ist ein nicht mehr wegzudenkender, selbstverständlicher Teil unsers Lebens, dem sich das Museum anschließen muss, will es relevant bleiben und Teilhabe am kulturellen Erbe stärker als bisher befördern. Ein Museum ist Bewahrer und Hüter der Dinge. Wir wollen mittels der uns anvertrauten Zeugnisse den Menschen Geschichte, also Kenntnisse zu ihrem So-Geworden-Sein, vermitteln und Ihnen außerdem die Möglichkeit geben, sich auf eigene Weise mit den Zeugnissen der Vergangenheit zu beschäftigen. Das bedeutet auch, die Museumssammlung zu digitalisieren, um sie für noch viel mehr Menschen verfügbar zu machen. Themen und Objekte vor, während und nach der Ausstellung digital anzubieten, neue Formate zu erproben, ermöglicht es, die Vermittlung zu diversifizieren. Das alles braucht natürlich neue Ressourcen und Kompetenzen.
Was denken Sie über Potsdam?
Potsdam ist eine schöne und faszinierende Stadt mit hoher Lebensqualität, die auf eine abwechslungsreiche, in ihrer Bedeutung weit über die Stadtgrenzen hinausreichende Geschichte zurückschaut. Nur einige Stichworte sind Residenzstadt, Wissenschaftsstandort, Hotspot im Kalten Krieg, heute Landeshauptstadt. Spannend ist die äußerst dynamische Entwicklung und Veränderung in den letzten 30 Jahren – wie Stadtumbau und die Veränderungen der Sozialstruktur zu einer diversen Stadtgesellschaft, z.B. wegen der vielen Zugezogenen.
Wie war Ihre erste Begegnung mit dem Potsdam Museum?
Ich habe hier den diesjährigen Museumstag erlebt, an dem auch die Ausstellung „Potsdamer Linien“ eröffnet wurde. Das Haus war sehr gut besucht – mit 1.200 Gästen, wie ich heute weiß. Überall herrschte beste Stimmung, ein sehr gelungener Tag.
Welche Eindrücke haben Sie in den ersten Tagen hier am Haus gewonnen?
Ich finde hier ein tolles Team vor. Sehr dankbar bin ich Hannes Wittenberg, der mir das Haus aus dieser Übergangszeit heraus mit einem beeindruckenden Arbeitsstand und mit einer sehr guten Stimmung im Kollegium übergibt. Ich komme jetzt mitten in der Phase der unmittelbaren Vorbereitungen auf die Ausstellungseröffnung von „Mehr davon! Wir sammeln Kunst.“ hinzu und habe dabei eine ebenso erfreuliche und sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit Markus Wicke, dem Vorsitzendes des Museums-Fördervereins, erlebt, der zusammen mit der sehr engagierten Kuratorin Susanne K. Fienhold Sheen die Ausstellung vorbereitet.
Welche Ziele verfolgen Sie für das Potsdam Museum?
Ich möchte durch nutzerorientierte und inklusive Museumsarbeit eine größere Teilhabe am kulturellen Erbe Potsdams vor allem für die Stadtgesellschaft ermöglichen. Also nah an den Menschen dran sein. Das heißt konkret, das Museum muss in die Stadt, wie es jetzt z.B. mit der kleinen Zusatzausstellung der „Potsdamer Linien“ am Hauptbahnhof gelang. Wir sind ein Museum von, für und mit der Stadt. Gut wäre es, verstärkt partizipativ zu arbeiten, also z. B. in der stadtgeschichtlichen Ausstellung Werkstattformate auszuprobieren, die von Akteuren der Stadtgesellschaft bespielt werden.
Thematisch sehe ich in der Transformationszeit der 1990er/ 2000er Jahre einen der zukünftigen Schwerpunkte fürs Museum, denn diese Zeit rückt jetzt – erst oder wieder – in den Fokus der Aufmerksamkeit. Für wichtig halte ich, die persönlichen Geschichten von Potsdamer Zeitzeug*innen zu erfassen. Ich schlage vor, bei allem, was wir machen, immer zusätzliche Perspektiven zu berücksichtigen, also polyperspektivisch und diskriminierungskritisch an unsere Themen heranzugehen. Das sind einige meiner Überlegungen – neue Ansätze können wir nur gemeinsam im Team und im weiteren Sinne gemeinsam mit lokalen Ansprechgruppen umsetzen.
Haben Sie einen Lieblingsort in Potsdam?
Die Heilandskirche Potsdam-Sacrow.
Welche Museen in Deutschland oder international würden Sie weiterempfehlen?
Die Frage kann ich kaum beantworten, weil es so viele schöne Museen gibt. Drei von meinen Lieblingsmuseen sind: Ars Electronica Center – Museum der Zukunft, Historisches Museum Frankfurt und Villa Borghese Rom.
Und was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich bin aktiver Kletterer und Wanderer, interessiere mich sehr für Musik. Ich koche leidenschaftlich und bezeichne mich deshalb gern als Foodenthusiast. Und natürlich bin ich ein begeisterter Ausstellungsbesucher. In den kommenden Wochen möchte ich Potsdam ausgiebig mit dem Fahrrad erkunden. Für schöne Tourenvorschläge bin ich sehr dankbar.
Teamfoto oben (auf dem Foto ist nicht das gesamte Museumsteam abgebildet):
v.l. Anke Stemmann, Museumspädagogik; Marius Schmidinger, wiss. Volontär Geschichte; Dr. Thomas Steller, Direktor; Harald Kretschmann, Haustechnik KIS; Ingo Krüger, Haustechnik KIS; Ute Meesmann, Besucherservice; Dr. Wenke Nitz, wiss. Mitarbeiterin historische Sammlung; Victoria Heying, Sammlungsbetreuerin Plakate & Spielzeug; Hannes Wittenberg, stellvertretender Direktor; Judith Granzow, Leiterin Sammlung Fotografie